„Das Allgäu ist ein musikalisches Land und Oberdorf einer der musikalischsten Orte darin!“
So stand es in der Zeitung zur Gründung der Singschule. Anlässlich der Neuverpflichtung des Chorregenten an St. Martin nutzte die nationalsozialistische Verwaltung die Gelegenheit eine Sing- und Musikschule einzurichten. Im Übereinkommen des katholischen Pfarramtes und dem Bürgermeister des Marktes Oberdorf zur Errichtung einer Singschule vom 1.3.1936, werden vertraglich die Bezahlung und das Unterrichtsangebot geregelt:
1. Gesangsunterricht unentgeltlich an musikbegabte Schüler und Schülerinnen von 10-16 Jahren.
2. Violin- und Blockflötenunterricht an musikbegabte Bedürftige von 10-14 Jahren.
3. Privatunterricht in Theorie, Orgel, Klavier, Violine und Blockflöte.
Markt Oberdorf war die 2. Landgemeinde in Schwaben, welche eine Sing- und Musikschule eingerichtet hat. Insbesondere die Erteilung von Instrumentalunterricht war zu dieser Zeit richtungweisend. Der erste Musikschulleiter Josef Amann hatte in Würzburg Orgel und Kirchenmusik studiert und wurde von Ludwig Hahn (Kaufbeuren) ins Allgäu geholt.
Nach dem Muster der Albert-Greiner-Singschule Augsburg hat er die Markt Oberdorfer Singschule geformt.
In kürzester Zeit baute er mit seiner Frau zahlreiche Singschulklassen, Blockflötenklassen, Streicherensembles und eine Klavierklasse auf, aus der auch schon einige Berufsmusiker hervorgingen.
Als freier Künstler kam es früh zu Auseinandersetzungen mit der politischen Führung. Wegen angeblicher Verächtlichmachung von nationalsozialistischem Liedgut, sollte er sogar in das KZ nach Dachau gebracht werden. Der Kreisleiter konnte dies jedoch verhindern.
Bei der Orgeleinweihung in St. Martin hatte er den Halbjuden Arthur Piechler für das Eröffnungskonzert engagiert, das wurde zum Anlass ihn, obwohl untauglich, zum Wehrdienst einzuziehen. Er fiel am 21.3.1945, wurde jedoch erst 1949 für tot erklärt.
Marianne Amann übernahm dann neben der Erziehung ihrer Söhne Franz und Otto sämtliche musikalischen Aufgaben ihres Mannes. Sie führte ihre Sänger zu überregionalem Ansehen. Konzerte des Kammerchores der Städtischen Singschule fanden u. a. im Ludwigsbau in Augsburg und im Herkulessaal in München statt. Die Sternsinger führten in den Häusern Krippenspiele auf.
Frau Amann studierte viele aufwendige Singspiele ein, gestaltete weihnachtliche Feierstunden, unterrichtete zahlreiche Klavierschüler, Streicher und Blockflötengruppen, kurzum das musikalische Leben in Markt Oberdorf wurde von ihr geprägt.
Auch pflegte sie engen Kontakt zu Künstlern und so wurden z. B. viele Plakate von Ludwig Hotter liebevoll von Hand gestaltet. Das Motto ihres letzten Markoberdorfer Singschulkonzertes am 9.5.1964 im Stadttheater lautete:
„Tausend Künste kann der Teufel, doch das Singen kann er nicht,
denn Gesang ist die Bewegung unserer Seele nach dem Licht.“
„Städtische Singschule geht nicht unter“ lautete die Überschrift im Allgäuer Tagblatt vom 16.2.1965.
Nach dem Wegzug von Marianne Amman im August 1964, die in ihre Heimatstadt Würzburg zurückgekehrt war, um dort eine Singschule aufzubauen, lag die Musikschularbeit längere Zeit brach.
Da es in der Kirchenmusik eine Umgestaltung gab, versuchte man zunächst die Musikschule dem Peter Dörfler Gymnasium anzugliedern, was jedoch nicht möglich war. Der Stadtrat war sich einig die Musikschule zu erhalten und auch zu finanzieren. Die Ausgabenschätzungen für die 121 Sing- und 21 Instrumentalschüler bewegten sich bei ca. 25 000 Mark bei Einnahmen von 6 000 Mark. Der Stadtrat konnte sich aber nicht zur Anstellung eines hauptamtlichen Leiters durchringen. Auch wurde das Ziel vorgegeben, den Instrumentalbereich weiter auszubauen.
Erst im März 1965 konnte wieder der Unterricht beginnen. Studienrätin Anna Margarete Dotterweich
und Arthur Groß begannen mit den Singklassen.
Im Dezember 1965 wurde Arthur Groß zum Musikschulleiter ernannt. Neben seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer und Chorleiter baute er die Musikschule vom Einmann(-frau) -betrieb zu einer größeren Schule mit bereits 10 Lehrkräften um.
Bereits zur Eröffnung wurde neben dem Singschulunterricht Instrumentalunterricht für Blockflöte, Querflöte, Violine, Violoncello, Akkordeon, Klarinette, Trompete, Horn und Posaune angeboten. Klavierunterricht konnte mangels Instrumenten anfangs noch nicht gegeben werden.
Der Instrumentalbereich bekam höheren Stellenwert. Nach und nach konnte das Angebot erweitert werden, und so stiegen auch die Schülerzahlen stetig, obwohl auch viele Schüler die kostenlosen Instrumentalangebote im musischen Gymnasium nutzten, und somit in einigen Fächern oft die leistungsfähigsten Schüler der Musikschule fehlten. Durch die vermehrten Angebote konnten auch Orchestergruppen entstehen: Gitarren- und Blockflötenorchester sowie Streicher- und Bläsergruppen.
Wolfgang Süß übernahm 1984 die Aufgaben von Arthur Groß und konnte im Jahr 1986 mit der Musikschule das 50-jährige Jubiläum feiern. Er führte die Musikschule erfolgreich weiter, musste das Amt jedoch abgeben, als er 1987 zum Rektor an der Grundschule Ebenhofen berufen wurde. Er förderte besonders die musikalische Früherziehung, in der die Grundlagen in allen Bereichen – Hören, Bewegen, Singen, Gefühl für Rhythmus – gelegt werden.
Wie ein roter Faden zieht sich die Raumproblematik durch diese Zeit. Die Musikschule war in verschiedenen Räumen verteilt über das ganze Stadtgebiet.
Bei seinem Antritt als Schulleiter erzählte Wolfgang Süß einen Traum:
„Er näherte sich einem Haus, über dessen Eingangspforte das Schild Städtische Musikschule hing“. Arthur Groß ergriff abschließend noch einmal das Wort und richtete an Bürgermeister Franz Schmid die Bitte, doch auch mal „so einen Traum“ zu haben.
Letztlich zeigte dieser Traum doch Wirkung. Im September 1985 begannen Planungen, die Musikschule im jetzigen Standort, im Erdgeschoss des Martinsheimes unterzubringen.
„Hauptsache wir haben eine zentrale Schule, damit das Nomadenleben aufhört“. (Zitat W. Süß)
Der Traum von Wolfgang Süß wurde wahr. 1989 konnte das umgebaute Erdgeschoss im Martinsheim bezogen werden. 245 000 Mark stellte die Stadt für Umbau und Einrichtung zur Verfügung.
Alfred Müller wurde 1987 der erste hauptamtliche Musikschulleiter der Musikschule.
Auch die Lehrkräfte waren nun ausnahmslos Fachkräfte mit abgeschlossenem Musikstudium, die den Musikschulunterricht als Hauptberuf ausübten. Die Musikschule hatte nun 22 Lehrer und 560 Schülerinnen und Schüler.
Unter seiner Leitung wurde die Arbeit der Spielkreise verstärkt um gemeinsam Musik zu machen und aufzutreten.
Neu entstanden die Blasorchester Jungbläser und Talentschuppen. Streich-, Gitarren-, Saxophon- und Blockflötenensembles waren nun feste wöchentliche kostenfreie Einrichtungen. Abgerundet wurde dies durch Kammermusikensembles.
Feststehende regelmäßige Veranstaltungen wurden initiiert:
Monatliche Musizierstunden, jährliche Schnupperstunden, Solisten-, Kammer-, Ensemble-, Advents-, Jahresschlusskonzerte und ein großes Singspiel im Modeon. Dies war nur durch gute Teamarbeit möglich.
1999 wechselte Alfred Müller an die Sing- und Musikschule Kempten und übergab dem neuen Leiter Robert Maul ein wohl bestelltes Haus.
Unter Robert Maul wurde u. a. die Kooperation mit den Städtischen Kindergärten begonnen, wo seit 2006 der Unterricht in Musikalischer Früherziehung I angeboten und durchgeführt wird. Eine Harfenklasse wurde neu eingerichtet und größere Konzerte, wie z. B. das Solistenkonzert werden auch außerhalb Marktoberdorfs aufgeführt. Die vielen verschiedenen Ensembles der Musikschule sind seither auch immer gefragt externe Veranstaltungen, wie Ausstellungseröffnungen, Empfänge oder diverse andere Feierlichkeiten musikalisch zu umrahmen. Eine CD Produktion mit den Ensembles der Musikschule konnte realisiert werden.
Regelmäßig konnten Erfolge bei Orchester-, sowie Kammermusik- und Solowettbewerben und beim Wettbewerb Jugend Musiziert erzielt werden.
Erstmals seit vielen Jahren fand im Rahmen des Jubiläums unter seiner Leitung auch wieder ein Lehrerkonzert statt.
Die Öffentlichkeitsarbeit wurde intensiviert und das Erscheinungsbild der Musikschule durch das neue Logo, sowie die neu gestaltete Internetpräsenz aktualisiert.
Ein Beitrag von Jürgen Lehmann und Renate Koch.